Fragebögen? Ich mag sie. Selbst dann, wenn ich die Fragen nicht recht beantworten kann (ihr werdet sehen, dass ich in diesem Fall schon bei Frage 1 ins Schleudern komme). Doch immer finde ich Fragebögen interessant, weil ich nach Herzenslust rekapitulieren kann und gelegentlich statt einer konkreten Antwort im Kopf auf Zeitreise gehe. Neulich stieß ich wieder auf einen solchen Fragebogen mit 15 Bücherfragen, beim Kaffeehaussitzer nämlich. Dieser wiederum wurde beim Wissenstagebuch fündig und sagt: „Es ist ein Beitrag, der zum Mitmachen einlädt und schon beim Lesen ratterten die Gedanken los.“ Na, dann lassen wir auch die Bleisatz-Zentrale rattern.
Frage 1: Ein Buch, das du als dein »Lieblingsbuch« bezeichnest?
Das ist praktisch die unmöglichste Frage, die man mir stellen kann. Ich höre sie nicht zum ersten Mal und merke, dass sich die Wahl im Lauf der Zeit immer wieder verändert. Daher mag ich die Frage nach irgendetwas, das mit „Lieblings-“ anfängt, nicht sonderlich. Es gibt allerdings Bücher, von denen ich mich nicht trenne. Dazu gehören die von Mateusz Urbanowicz weil sie Tokyo auf eine Weise einfangen, wie ich sie bildlich sofort wiedererleben kann. Oder der siebte Band von Harry Potter auf Englisch, weil es ein besonderes Geschenk war (den Rest der Reihe habe ich nicht und ich werde ihn auch nicht vervollständigen).
Frage 2: Dein »Guilty Pleasure«?
Über dieser Frage grübelte ich eine Weile. Als dann ein Buch in meinem gedanklichen Suchradar aufleuchtete, stellte ich fest, dass ich es seinerzeit sogar als „guilty pleasure“ beschrieben hatte. Ich lag in meiner Einschätzung also völlig richig mit „Lacroix und die Toten vom Pont Neuf“ von Alex Lépic. Ein Paris-Krimi, der gut zu lesen ist und beim touristenorientierten Lokalkolorit so richtig dick auf den Putz haut. So schreibt kein Franzose, niemals nicht. Einzuordnen in der Reihe der Lokalkrimis, die zu Absatzzwecken von Pseudonymen geschrieben werden, die schick nach einer einheimischen Feder klingen und das Flair aus den beliebtesten Ferienländern vervollständigen. Auf alle Fälle ein Kandidat für Frage 2.
Frage 3: Ein Buch, das außer dir alle gemocht haben?
Ich schätze, das passt „Di schöni Fanny“ von Pedro Lenz gut hin. Ein hochgelobter Roman, mit Huldigungen wie „liebevoll“ etikettiert und ach, was sind die Figuren so herzig. Dabei kam bei mir im Wesentlichen eine Horde verantwortungsloser Männer an, die noch nie in ihrem Leben für irgendwas Verantwortung haben wollten, niemals welche übernehmen würden. Das wurde von der Kritik als liebenswerter Oltener Künstlerzirkel verkauft. Schön geschrieben, keine Frage. Aber die Kritikerrunden und ich müssen wohl unterschiedliche Bücher gelesen haben. Ach ja, und die Okapi-Geschichte „Was man von hier aus sehen kann“ fand ich auch mehr als seltsam.
Frage 4: Ein Buch, das du am schnellsten durchgelesen hast?
Ach, was denkt ihr, warum ich dünne Bücher so schätze?
…
Keine Sorge, ich lese natürlich auch dickere Bücher. Auch schnell (obgleich nicht statistisch belegbar). Letztlich hängt dieses „schnell“ davon ab, ob mich die Story packt oder nicht. Ich erinnere mich zum Beispiel an „Das barmherzige Fallbeil„. Das hatte ich mit in die Küche genommen und nebenher Milchreis gekocht, weil ich es nicht aus der Hand legen wollte. Obgleich ich ziemlich erschrocken war, weil das Buch dicker war als erwartet, war ich damals ein oder zwei Tage später bereits mit dem Buch fertig.
Frage 5: Ein Buch, das mehr Aufmerksamkeit verdient?
Eines? Nicht mir mir. Unter den Krimis finde ich Ursula Haslers „Die schiere Wahrheit“ unterschätzt. Hasler nutzt hervorragend die theoretische Möglichkeit, dass sich Georges Simenon und Friedrich Glauser im Sommer 1937 tatsächlich in einem Seebad hätten treffen können. Im Buch gelingt ihnen das natürlich und die beiden Autoren entwickeln spontan gemeinsam einen Kriminalroman. In Sachen Belletristik tippe ich auf „Die Erinnerung an unbekannte Städte“ von Simone Weinmann. Eine spannende Dystopie zur Frage, wie wir uns im Fall von Naturkatastrophen verhalten werden.
Tracey Williams hat mich unter den Sachbüchern mit „Adrift“ begeistert. Tracey sammelt Strandgut und ein Container voller Lego-Steine, der bei einem Unwetter vor England havarierte, war Auslöser für eine lange Sammelleidenschaft. Die Britin kombiniert das Sammeln zugleich mit ausführlicher Recherche zu ihren Fundstücken und das schön illustrierte Buch erzählt daher auch von Meeresströmungen und Meeresforschung. Ebenfalls Sachbuch ist „Verkaufte Welt“ von Rinny Gremaud, das von unseren Konsum erzählt. Gremaud hat die größten Malls der Welt besucht und stellt eine erschreckende Gleichförmigkeit im veraltet ()en Investmentkonzept fest.
Frage 6: Ein Buch, das demnächst verfilmt wird?
„Hier muss ich ein wenig mogeln,“ beginnt Kaffeehaussitzer seine Antwort und das könnte ich auch tun. Er verweist nämlich auf die Buchreihe „Slow Horses“ von Mick Herron. Bei dieser Serie sind wir beide uns einig: G.r.o.ß.a.r.t.i.g. — und deshalb könnte ich den Tipp einfach kopieren. Bisher wurden die ersten zwei Bücher in je sechs Episoden verfilmt. Die Buchreihe dreht sich um ausgemusterte Agenten, die viel Mist bauen und auf unnachahmlich schiefe Art geheimdienstliche Probleme ungeschickt lösen.
Ganz ohne Mogeln geht es aber auch: „Laufen“ von Isabel Bogdan. Das ZDF verfilmte 2023 den Roman um eine trauernde junge Frau, die sich langsam durch Joggen aus der Trauer um ihren Lebensgefährten befreien kann.
Frage 7: Das Buch, das du am häufigsten gelesen hast?
Unter den Büchern, an die ich mich erinnern kann, komme ich auf maximal zwei Durchgänge pro Buch. Es dürften praktisch nur Krimis sein, schätze ich. „Mord im Pfarrhaus“ habe ich ganz sicher zwei Mal gelesen und ich erinnere mich gut daran, wie unterschiedlich ich es beim zweiten Mal wahrgenommen hatte. Miss Marple wirkte im zweiten Durchgang und mit gewiss 20 oder 25 Jahren Abstand dazwischen überraschend unsympathisch auf mich.
Mit Sicherheit habe ich auch Krimis von Elizabeth George (Inspektor Lynley), Deborah Crombie (Duncan Kincaid) und Martha Grimes (Inspektor Jury) doppelt gelesen. Bei allen drei nahm ich früher an Leserunden teil und hatte zu jenem Zeitpunkt einen Teil der Bücher schon zuvor gelesen. Außerdem stehen in meinem Schrank so einige Krimiklassiker aus dem Schrank einer Tante. Davon dürfte ich die meisten als Teenager schon gelesen haben. Aber ich habe sie behalten – weil ich mich nicht an den Inhalt erinnere und sie „wie neu“ auf mich wirken werden.
Frage 8: Ein Buch eines Genres, das du eigentlich nicht liest?
Spontan fällt mir ein Fantasy-Roman ein, zu dem ich die Rezension sogar noch auf dem Blog habe: „Die Chronik des eisernen Druiden“ von Kevin Hearne. Das Cover dazu hatte ich sofort im Kopf, musste aber eine Weile suchen, bis ich Titel und Autor gefunden hatte. Immerhin ist es von 2013 und ein bisschen Vergesslichkeit darf da schon sein. Damals hatte mir das Buch unglaublich gut gefallen. Das erklärt, warum ich es bei dieser Frage sofort im Sinn hatte, aber nicht, warum ich keinen der Folgebände gelesen habe. Die Taschenbuchausgabe, stelle ich fest, steht gerade bei der 11. Auflage. Kevin Hearne hat offenbar eine Serie mit nach wie vor guter Fangemeinde geschrieben.
Frage 9: Ein Buch, das seinen Hype verdient?
Ob es um „Aufzeichnungen eines Serienmörders“ einen Hype gab, weiß ich nicht. Falls ja, wäre die Antwort hiermit geliefert. Denn das unglaublich gute Buch von Young-Ha Kim spielt mit Erinnerungsvermögen und Wahrheiten und soweit ich Rezensionen darüber gelesen habe, fielen sie allesamt äußerst begeistert aus.
Frage 10: Ein Buch, das du meistens empfiehlst, wenn dich Leute fragen?
Seit April 2018 taucht „Die Ladenhüterin“ zuverlässig in meinen Empfehlungen auf. Ich tippe in diesem Fall sogar, dass Sayaka Muratas Buch ein Favorit auf Lebenszeit werden kann. Eine Festlegung, die ich bei mir noch vor wenigen Jahren für unmöglich gehalten hätte. Murata würde ich beim Stichwort „japanische Literatur“ ebenso empfehlen wie beim Stichwort „Gesellschaftskritik“ oder „Selbstfindung“.
Frage 11: Ein Buch mit deinen Lieblingsfiguren?
Wenn mich Figuren begeistern, bedeutet das nicht immer, dass sie mir auch sympathisch sind – so fasse ich die Frage jedenfalls auf. Die schon erwähnten „Slow Horses“ sind zum Beispiel eine beeindruckend gut entwickelte Personengruppe, deren Werdegang ich unbedingt verfolgen möchte. Aber passt der Begriff Lieblingsfiguren, wenn ich sie nicht auf meiner Geburtstagsparty haben möchte?
Frage 12: Ein Buch, in dem du gern leben würdest?
Romane wollen mir hier einfach keine einfallen. Darin finden sich zwar oft geeignete Orte zum Reisen, aber wenn mir die Frage so gestellt wird, möchte ich eben nicht unbedingt im „Romansetting“ dort wohnen.
Eher Sachbücher oder Bildbände. Florent Chavouets „Tokyo on foot“ zum Beispiel — Tokyo wie es leibt und lebt eben – oder der Bildband „Lost in the Alps“. Das große Coffeetablebook ist üppig bebildert und zeigt Wanderungen, die meine Fähigkeiten zum Teil weit übersteigen, dafür aber eine Landschaft, in der ich unglaublich gerne unterwegs bin. Die am Buch beteiligten Schweizer Fotografen haben (abzüglich solcher Ziele wie dem „Kamel„) eine Menge Tipps auf Lager, wohin ich noch wandern könnte. Ein Glück, dass es auch noch einen Folgeband gibt.
Frage 13: Ein Buch, bei dem du dir wünschst, dass du es noch mal zum ersten Mal lesen könntest?
Klares Nein. Ich würde es höchstwahrscheinlich völlig anders wahrnehmen als beim „echten“ ersten Mal, weil ich in einer anderen Stimmung lese, in einer anderen Umgebung, mit anderen zwischenzeitlichen Erfahrungen, gerade viel um die Ohren habe oder auch nicht, zu müde, um micht darauf einzulassen, …
Frage 14: Ein Buch, von dem du dachtest, dass du es hassen würdest?
„Hassen“ ist mir ein viel zu übertriebenes Wort. Aber mir fällt spontan tatsächlich ein Buch ein, über das ich mich zunächst geärgert hatte. Es war ein Geschenk zu einer Zeit, in der ich nur Krimis gelesen hatte. Und wenn ich sage „nur“, dann meine ich es auch so. Just da schenkte mir eine Kollegin „Schiffbruch mit Tiger“ von Yann Martel. Weil es ihr gefallen hatte. Wo sie doch wusste, dass ich nur Krimis lese, oder? Aus „ihr zuliebe angefangen“ wurde ein „hey, das ist viel besser als ich dachte“. Dass Martel mich überraschenderweise so begeistert hat, zeigt sich auch daran, dass es eine der ältesten noch erhaltenen Rezensionen auf der Website ist (aus meinem ersten Blogjahr 1999 gibt es allerdings nichts mehr).
Frage 15: Ein Buch, das dich zum Weinen gebracht hat?
Das letzte Buch, das es geschafft hat, war „Hiroshima“ von John Hersey. Es gibt eine längere Passage, in der Hersey die ersten Stunden nach dem Bombenabwurf aus der Perspektive eines Pastors erzählt. Eine seiner Begegnungen hat mich beim Lesen sehr erschüttert. Das Buch ist zu Beginn voll mit schwierigen Szenen, aber viele andere übersteigen schlicht mein Vorstellungsvermögen und bleiben abstrakt. Und diese eine Begegnung mit der Nachbarin aber geht ohne Umwege direkt in die Eingeweide.
15 Fragen, 15 Antworten — und obgleich die Erfinderin der Fragen wahrscheinlich bloß an ein Buch pro Frage gedacht hatte, habe ich sie selbstverständlich mit Vergnügen ausgetrickst.
Nehmt euch die Freiheit und das Vergnügen und schnappt euch die Fragen. Lasst mich gerne wissen, wie ihr sie beantworten würdet — ob in einem eigenen Blogbeitrag oder unten in den Kommentaren.
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Foto: Arif Riyanto / unsplash
2 Kommentare
Falls es dein Plan war, deine Leser und Leserinnen mit der Beantwortung des Fragebogens auf viele Bücher neugierig zu machen, ist es dir perfekt gelungen. Ich habe mir einige schon mal auf meine Leseliste geschrieben. Danke dafür. Liebe Grüße Holly von meinding.blog
Mit allergößtem Vergnügen 😉 liebe Holly